Wirtschaftsforum 2015 mit dem Referenten Prof. Dr. Wiegard

Professor Wiegard spricht über Herausforderungen der europäischen Wirtschaftspolitik

Cham. Oktober 2015

Die Raiffeisenbank Chamer Land hatte am Dienstagabend zum Wirtschaftsforum 2015 in die Rodinger Stadthalle eingeladen. Die Traditionsveranstaltung bietet Information und Kommunikation für die Besucher mit wechselnden Referenten. Zum Thema „Fünf Herausforderungen für die europäische Wirtschaftspolitik“ konnte der exzellente Redner Professor Dr. Wolfgang Wiegard gewonnen werden. Er studierte, promovierte und habilitierte im Fach Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg. Als Professor für Volkswirtschaftslehre war er bis März 2011 an den Universitäten Regensburg und Tübingen tätig. Von März 2001 bis Februar 2011 war er zudem Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweise), von April 2002 bis Februar 2005 als Vorsitzender des Rates. Seit Oktober 2009 ist er Mitglied im Rat der Immobilienweisen.

Vorstandssprecher Herbert Eder freute sich über den zahlreichen Besuch und das damit erwiesene Interesse. Seinem Wunsch, dass Politiker wieder Politik, und zwar vorausschauende
Politik, machen, folgten hinführende Worte zum Vortrag. Der Referent werde sich mit wirtschaftspolitischen Erfordernissen der fünf Handlungsfelder auseinandersetzen. Etwas provokant meinte er: „Gehen die Europäer in der Wirtschaftspolitik noch am Gehstock oder brauchen wir schon einen Rollator? Ist unsere vielgepriesene Marktwirtschaft an ihre Grenzen gestoßen und die Planwirtschaft hält Einzug, zumindest in Teilen?“ Antworten, versprach er, werde Professor Dr. Wiegard geben.

Mit einem Blick auf die Konjunktur 2015/16/17 stellte Dr. Wiegard fest, dass Deutschland als Konjunktur- und Wachstumslokomotive in der Währungsunion gelte. Ursächlich für zunehmende Abwärtsrisiken wertete er die konjunkturelle Schwächephase in den BRICSStaaten,
wobei die realen Auswirkungen begrenzt bleiben werden. Für die meisten Länder des Euro-
Raums verbessern sich die konjunkturellen Aussichten. In den „Programmländern“ zeigen die eingeleiteten Strukturreformen erste Wirkungen. Während in Irland, Spanien und Portugal die Wachstumsraten überdurchschnittlich zu erwarten seien, sehe es für Griechenland unter der neuen Regierung eher düster aus. Hier werde die Wirtschaftstätigkeit Einbruch erleiden. In Frankreich und Italien liegen die Wachstumsraten unter dem Durchschnitt, was auf die nicht umgesetzten Reformen zu schließen sei. Auf dem Euro-Gipfel am 12. Juli 2015 wurde ein möglicher „Grexit“ abgewendet. Trotz eines dritten Hilfspaketes und Kreditzusagen werde die Schuldenstandsquote Griechenlands weiter ansteigen. Die griechische Wirtschaft sei nicht wettbewerbsfähig. Der Referent zeigte drei Möglichkeiten auf. Entweder müsse Griechenland intern abwerten durch Lohnsenkungen, was lange dauert und schmerzhaft für die Bevölkerung sei, oder das Land bleibe ohne Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft am Tropf der EWU hängen. Die Währungsunion werde dann zu einer Transferunion, analog zum deutschen Finanzausgleich, was teuer wird und falsche Anreize setzt. Ansonsten bliebe Griechenland nur der Grexit, also Ausstieg aus der Währungsunion. Nach Meinung des Referenten kann ein Nebeneinander von gemeinsamer Geldpolitik und unbeschränkter nationaler Autonomie in der Fiskalpolitik nicht auf Dauer funktionieren. In der Entscheidung der Politik liegt, ob die Fiskalpolitik vereinheitlicht wird. Dazu müssten die Mitgliedsländer auf ihre Souveränitätsrechte in der Haushaltspolitik verzichten. Dieser Weg scheide als ernsthafte Option aus. Nach „Maastricht 2.0“ müssten die fiskalpolitischen Regeln wirksam verschärft werden. Hier sind glaubwürdige staatliche Insolvenzverfahren, eine strikte Auslegung des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie die Möglichkeit eines Austritts aus der Währungsunion als Ultima Ratio notwendig.

Zum Abschluss des Wirtschaftsforums bedankte sich Vorstand Thomas Koch bei dem Referenten Dr. Wolfgang Wiegard. In bewegten Zeiten sei es schwierig, den Überblick zu bewahren und sich eine fundierte Meinung zu bilden. Wirtschaftliche Zusammenhänge wurden klar dargestellt, professionelle und präzise Einblicke in diese wichtigen, aber auch komplexen Themen gewährt. Von dem exzellenten Redner seien die fünf Handlungsfelder faktenreich und unterhaltsam erläutert worden.